Nous

Exhibition, Boutique - Raum für temporäre Kunst, Cologne 2013
Photos by Amelie Proché
Text I Images

Sofie Mathoi zur Ausstellung Nous, 2013

Der Begriff “Nous” wurde von den Philosophen der Antike geprägt und bezeichnet die geistige Tätigkeit des Wahrnehmens welche als Innewerden oder Realisieren umschrieben werden kann. Sarah Bildsteins Collagen entstehen aus eben diesen inneren Denkprozessen. Geometrische Abbildungen und Diagramme aus der Psychoanalyse dienen der jungen österreichischen Künstlerin unter anderem als Vorlagen. Ihr Augenmerk liegt aber auch auf den Produktions- und Verarbeitungsprozessen unterschiedlicher Mater- ialien aus dem täglichen Umfeld des häuslichen Werkalltags wie Papier, Karton, Folien, Etiketten und Textilstoffe. Haptik und Struktur dieser Werkstoffe sowie die chemischen Prozesse in der Herstellung und deren Auswirkungen bilden das Interesse der Künstlerin. Diese Nebensächlichkeiten überträgt sie als 'Diagramme' in einen psychologisch geometrisch angelegten Kontext. Visuell stellen sie den begleitenden Denkprozess als verbal übermittelte Intentionen in Strichen und Punkten dar, deren Anordnung durch das intuitive Erfassen emotionaler Strukturen generiert wird. Immer wieder verwendet sie in ihren Collagen Isometriepapier dessen geometrische Linienanordnung als Verbindungen zwischen einzelnen markierten Bereichen zu lesen sind. Das Verstärken dieser Verbindungen zum Beispiel mittels eines Fadens ist das Ergebnis von zufälligen Begegnungen, Sackgassen, Entfernungen und Begrenzungen. Durch das nachträgliche Wegreißen des Papiers entstehen Leerstellen und besondere Strukturen deren Endgültigkeit nicht von Anfang an festgelegt ist. Diese Gruppierungen und allein stehenden Elemente bilden wiederum neue Zusammenschlüsse sowie Distanzierungen. Die Ergebnisse erinnern an Diagramme einzelner Lebensbereiche und deren Beziehungsgeflecht. Kontaktlinse (2013) resultiert aus der Idee die eigene Kontaktlinse unter dem Mikroskop zu fotografieren. Persönliche Komponenten von prägenden Erlebnissen werden bildhaft in den abstrahiert wirkenden Kratzern und strukturgebenden Elementen aufgezeigt. Überdimensioniert auf Stoff gedruckt verdeckt Kontaktlinse den dahinter liegenden physischen Raum und repräsentiert den Blick in den psychischen Raum der Künstlerin. In der Collage Ongoing (kol) (2013) entstand eine zufällige Reaktion zwischen Kopierstift und einer Klebefolie für Bucheinbände. Der Farbstoff Methylviolett der sich auf Papier im Laufe der Zeit langsam verändert und kräftiger wird, reagiert hier mit der Folie und entfaltet seine volle farbliche Wirkkraft. Diese Wirkung kommt auch in der Collage Ongoing (inneres Bild) (2013) zum Tragen. Wie sich das Licht zu den Farben verhält die es sichtbar macht, so verfärbt sich das Grau des Kopierstiftes mit der Zeit violett durch die Einwirkung von Feuchtigkeit. Diese Thematik der langsamen Veränderung wird in der Videoarbeit Z300 (2011) weitergeführt. Ausgangsmaterial ist Marmorpapier und dessen Strukturierung. Formlos und ohne vorgegebene Inhalte hat es keine eigene Natur. Durch diese Unbestimmtheit ist es in der Lage alle Formen aufzunehmen. Erst wenn eine bestimmte Form denkend aufgenommen wird, dann entsteht aus der Möglichkeit hinsichtlich dieser Form Wirklichkeit. Die Arbeit Noos (2013) unterstreicht dieses zum Denkgegenstand werdende unbestimmte Innewerden, dass aus der Möglichkeit denkbar zu sein Wirklichkeit wird. So entsteht eine innere Raumgeometrie die ohne physikalische Realität auskommt und sich anhand von minimal gesetzten Gesten auf die Architektur der Boutique überträgt. Die Projektion im hinteren Raum entspricht in etwa dem Grundriss des Raumes und das Klebeband am Boden im Hauptraum reagiert auf dessen Geometrie. Ebenso entsteht ein Verweis auf das Isometriepapier der Collagen und somit wiederum auf die Struktur der verwendeten Arbeitsmaterialien.